Arbeitskreis "Klosterspuren"

Der Arbeitskreis "Klosterspuren" setzt sich aus Vertretern der drei Mitgliedsgemeinden Pforzen, Irsee und Rieden zusammen und befasst sich mit der Geschichte unserer Gegend unter der Irseer Klosterherrschaft im 17./ 18. Jahrhundert. Der Arbeitskreis "Klosterspuren" veranstaltet in Ergänzung zu seiner Projektarbeit jeweils am letzten Mittwoch eines Monats einen öffentlichen Geschichtstreff. Hier wird in lockerer Unterhaltung die Vergangenheit aufgearbeitet und dokumentiert. Sie sind historisch interessiert und haben Interesse an einer Mitarbeit im Arbeitskreis "Klosterspuren"? Bitte wenden Sie sich an Rudi Stiening unter rudi.stiening@t-online.de 


Klosterspuren – die dörfliche Wirklichkeit  1750 - 1820

Kapitel  N.N.

Über das Buch „Klosterspuren – die dörfliche Wirklichkeit. Das Leben in den Dörfern Ingenried, Irsee, Leinau, Pforzen und Rieden-Zellerberg 1750 – 1820“.

Die gedankliche Grundlage für dieses Buch nahm im Frühjahr 2018 Form an, als sich in etlichen Diskussionen über das Projekt „Klosterspuren“ herausschälte, wie wenig wir alle eigentlich über die näheren Beziehungen zwischen den Dörfern und ihrem Grund- und Landesherren, dem Kloster Irsee, wussten. Aber auch über das Leben und Arbeiten in den Dörfern in der Vergangen war das Wissen, mit der Ausnahme von einigen wenigen, überschaubar.

So wurde für eine entsprechende Darstellung der Zeitabschnitt  1750 -1820 gewählt, fanden in ihm doch die größte Veränderung des dörflichen Lebens statt: Der seit über 500 Jahren herrschende Grund- und Landesherr, das Kloster Irsee, wurde aufgehoben und an seine Stelle trat nun ein neuer, sich selbst gerade zutiefst von innen heraus reformierender und dabei expandierender Staat in Form des Königreichs Bayern. So beschreibt das Buch eigentlich zwei Welten, nämlich die althergebrachte, geistlich-barocke und ruhende Welt des kirchlichen Feudalismus bis 1802 und die Welt des aufgeklärten, weltlichen Staates heutiger Prägung mit seiner Dynamik und seinem vollkommen neuen Verhältnis zu den Menschen , die ja jetzt nicht mehr leibeigene Untertanen, sondern Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind.

So gut wie Quellen und Literatur in den Zeiten der Pandemie auswertbar waren, wurden sie herangezogen, um das damalige Leben in den Dörfern zu schildern. Vielleicht folgen auf dieses Buch weitere Forschungen, vielleicht weitet es bei den Leserinnen und Lesern das Verständnis für die Vergangenheit, die ja doch mit jeder vergangenen Minute in die Gegenwart reicht. Beides wäre schön!

Dr. Stefan Fischer


Neu! - Geschichtstreff im Blösch-Bistro

Aufgrund der Corona-Krise steht leider noch kein neuer Termin für den Geschichtstreff fest. Sobald dieser wieder stattfinden kann, finden Sie alle Infos auf dieser Seite. 


Der Arbeitskreis Klosterspuren informiert...

Der letzte Geschichtstreff fand am 25.03.2020 statt und stand unter dem Thema "Messner- und Baderordnung Rieden-Pforzen". Diese wurde vorgetragen von Dr. Stefan Fischer, dem ehemaligen Stadtarchivar der Stadt Kaufbeuren. In seinem Vortrag behandelte er dabei z. B. die vor über 300 Jahren geltenden Hygienestandards und Präventionsmaßnahmen. Im Hinblick auf die aktuelle Corona-Diskussion ergaben sich interessante Bezüge und Vergleiche. Der nachfolgende Beitrag "Von fahrenden Ärzten, Dorfbadern und der Sauberkeit" von Dr. Fischer ergänzt den Vortrag vom 25.03.2020.


"Von fahrenden Ärzten, Dorfbadern und der Sauberkeit"

Mitte Mai 1642 erreicht den Amann von Rieden - das ist die damalige Bezeichnung für das Amt des Bürgermeisters - ein Schreiben seines Landesherrn, mit dem auf die Vorzüge und die Kunstfertigkeit des Occulisten, Stein- und Brucharztes Christof Hernler aus Thingau hingewiesen wird. Abt Maurus berichtet darin von einer Operation, mit der Hernler den dreijährigen Sohn des Bürgermeisters von Ketterschwang von einem Blasenstein welcher nußgross behafft war  befreit hat. Der Bub hätte die Operation überlebt und wäre genesen, durch ernennten Hernlers...vermittelst dessen kunst, vorder ist aber göttlichen segenß. Daher sei dem Arzt Hernler huldvoll gestattet, in der Herrschaft Irsee seine medizinische Kunst anzubieten und zu praktizieren. Es war zu dieser Zeit die einzige, etwas weitergehende medizinische Betreuung der Bevölkerung auf dem Land und in den Dörfern. Einen niedergelassenen Hausarzt gab es in den Gemeinden nicht, ein Krankenhaus im heutigen Sinne war unbekannt und der nächste praktizierende Arzt war der Stadtphysikus von Kaufbeuren. Bei dem war es aber gar nicht sicher, ob er einen Untertanen des Klosters Irsee überhaupt behandelte, denn der Kaufbeurer Arzt war für die Kaufbeurer da- und nicht für die Bauern des Klosters Irsee! So zog nun der Arzt Christof Hernler mit seinem Gehilfen durch die Dörfer der Klosterherrschaft Irsee und bot seine medizinischen Dienste an: Starstechen und die Behandlung von Augenentzündungen, Bruchleiden (Hernie) und Blasensteinoperationen. Diese waren aber eigentlich Notoperationen, ohne Betäubung unglaulich schmerzhaft und blutig und mit meist tödlichem Ausgang. Die Behandlungen fanden in der Regel öffentlich statt, entweder auf dem Dorfplatz oder im Wirtshaus. Wenn dann niemand mehr solche Rosskuren nötig hatte, zog der Arzt weiter ins nächste Dorf, zu den nächsten Patienten. Solche umherziehende Ärzte waren noch bis ins 19. Jahrhundert festzustellen, erst nach und nach etablierte sich von den Kreisstädten ausgehend zunächst in den größeren Dörfern der sogenannte Landarzt.

Für die einfachere, aber wenigstens meistens verfügbare medizinische Versorgung und für die Körperhygiene waren seit dem Mittelalter die Bader zuständig. Über ihre Tätigkeit wissen wir durch die Schmied-, Bader- und Messner-Ordnung von Rieden aus dem Jahr 1660 ziemlich gut Bescheid. So gab es in Rieden ein eigenes Badehaus, das der Bader versorgen musste. Am Samstag wurde gebadet, so legt es die Ordnung fest, der Bader solle alle Sambstag daß Baad biß uf zwölf Uhren mittags fertig halten, auch den Kessel mit dem Wasser, daß er nit verbrenne. Immer bei abnehmendem Mond war Haareschneiden Pflicht, aber die Vorschriften gaben sich flexibel: Ob aber ainen vor der zeitscherens vonnöten wehre, den soll er (der Bader) auch scheren. Besonderen Wert legt die Bauordnung auf die Sauberkeit der Badstube, mit kören (kehren) und ausbutzen alle Samstag ordentlich unnd sauber halten, der Bänke und der Badekübel, die nur zum Baden verwendet werden dürfen und die der Bader ansonsten unzugänglich aufzubewahren hat. Wollen aber Leute mit körperlichen Gebrechen das Bad benutzen, so muss der Bader dem Amann und den Vierern Bescheid sagen und für diese Badegäste sogar ain aigen schermesser unnd  schrepfeisen haben und brauchen. Der Bader wurde von der Gemeinde hauptsächlich in Naturalien entlohnt, die die Bauern ihrem Bader zu liefern hatten. Die Knechte und Mägde jedoch mussten für das Bad bezahlen: ein großer Knecht jährlich 7 1/2 Kreuzer, ein kleiner Knecht, eine Magd oder ein Hirtenbub jährlich 6 Kreuzer und eine Witwe jährlich 10 Kreuzer. Das Ansetzen von Schröpfköpfen wurde mit 1 Heller extra berechnet und an Weihnachten erhielten der Bader und seine Familie von jedem Bauern einen weißen Zelten, das war in unserer Gegend meist ein flaches, rundes Hefeteiggebäck mit getrockneten Früchten.                                                                 

Dr. Stefan Fischer


Die Grundlage für das Projekt "Klosterspuren"

Als vor knapp 2 Jahren das Projekt "Klosterspuren"  so langsam Form annahm, konnte man auf Grund des stattgefundenen Gedankenaustauschs folgende Grundlage für das Projekt festhalten:

Das Augenmerk der bisherigen historisch-kulturellen Publikationen über die Kommunalregion der Verwaltungsgemeinschaft Pforzen - sie macht in ihrer heutigen Größe immerhin knapp die Hälfte des damaligen Klosters Irsee aus! - liegt auf der Geschichte des Klosters Irsee. Die Tatsache, dass das Kloster aber auch Landesherr über die Dörfer der VG Pforzen war, dass die Bewohner über Jahrhunderte hinweg Untertanen des Abtes und des Konvents waren, spielte in dieser Darstellung keine große, eigentlich gar keine Rolle.

Aber über gut 500 Jahre standen die Bewohner von Pforzen, Rieden-Zellerberg, Ingenried, Leinau und Irsee eben wie die anderen Untertanen in einer besonderen Beziehung zum Kloster. Diese Verhältnisse griffen tief in ihr Leben ein, bestimmten ihre persönliche Freizügigkeit und ihre wirtschaftliche Abhängigkeit - kurz: Sie hinterließen klösterliche Spuren im Leben der Menschen.

Mit dem Entstehen der befindlichen Publikation wollen Autor und der Arbeitskreis der "Klosterspuren" zunächst einmal den heute Lebenden die dörfliche Welt zwischen 1750 und 1820 näher bringen, darstellen, wie es sich als Klosteruntertan lebte und welche Veränderungen die Napoleonszeit die Weichen für das heutige Dasein stellten. Der Bauer, der nämlich noch 1799 die Zins- und Pachtabgaben seines Pachthofes ins Kloster brachte, konnte um 1820 bereits Eigentümer davon sein. Und seine Kinder oder Enkel wurden - weil das der bayerische König so wollte - regelmäßig in der Schule unterrichtet.

Nun ist es nicht so, dass wir alles von Grund aus neu erforschen müssen. Pforzen, Rieden-Zellerberg, Leinau und Ingenried haben bereits umfangreiche und aufschlussreiche Dorfchroniken, die ein äußerst tragfähiges Fundament abgeben. So wird der Schwerpunkt des Buches auf der Darstellung des Alltagslebens liegen. Dazu werden die Quellen im Staatsarchiv Augsburg ausgewertet und es soll daraus ein möglichst lebendiges und anschauliches Bild über das dörfliche Leben in dieser Zeit entstehen: Vom morgendlichen Arbeitsbeginn um 3.00 Uhr in der Früh (Sommer), vom samstäglichen Badetag mit warmem Wasser bis zum Böllerschießen bei der Fronleichnamsprozession.  Und von der Sorge des Abtes über das gemeinsame Heimgehen von Männer und Frauen vom Kirchweihtanz.

Am Anfang des Buches wird eine informative Zusammenfassung der jeweiligen Ortsgeschichten auf das Thema hinführen, das dann mit den Themenbereichen der Beziehungen zwischen den Untertanen und der klösterlichen Herrschaft, dem Leben im Dorf, geprägt durch die bäuerliche Wirtschaft, aber auch dem Bereich des religiösen Lebens mit seinen zahlreichen Bräuchen versuchen wird, uns die damalige Wirklichkeit näher zu bringen. Wenn dann die Leser das Buch zuklappen und ihre Heimat mit neuen Augen sehen, weil ihnen die alten Flurbezeichnungen auf den Straßennamenschildern nun mehr sagen, dann haben Autor und Arbeitskreis ihr Ziel zunächst einmal erreicht.

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